Fundstück der Woche 28/2020

Im Kernwerk der Feste Kaiser Alexander, 10. Januar 1919

Das Fundstück der Woche 28/2020 ist eine Fotografie der amerikanischen Photo Section N° 2 vom 10. Januar 1919. Sie zeigt einen Raum, möglicherweise ein Treppenhaus im Inneren des Kernwerks der Feste Kaiser Alexander. Das Gebäude wurde zu jener Zeit von der amerikanischen Armee genutzt.

Bislang liegen uns keine Erkenntnisse darüber vor, dass das Kernwerk der Feste Kaiser Franz zur Zeit der amerikanischen, später der französischen Besatzung als Unterkunft diente. Im Gegenteil macht das Gebäude auf einem Foto von Joseph Ring von 1920 den Eindruck, als ob hier schon länger keine Soldaten mehr untergebracht waren (siehe hier). Dies wäre ein möglicher Grund, dass uns bislang auch keine Fotografien bekannt sind, die die Kasematten des Kernwerks auf dem Petersberg von Innen zeigen. Daher bietet das hier gezeigte amerikanische Foto der Feste Kaiser Alexander einen Eindruck davon, wie das Reduit der Feste Kaiser Franz von Innen ausgesehen haben könnte.

Abb. 1: Im Kernwerk der Feste Kaiser Alexander, 1919

Im Bild zu sehen ist an den Treppenabgängen und in der Fensternische über der Lambris eine Bordüre, die ein wenig an Jugendstil erinnert. Die Soldaten haben zudem zwei Inschriften über den Aufgängen angebracht, deren Text leider zum Teil nur schwer lesbar ist, er lautet (von links nach rechts): „sich‘rer fester Hand der ziert im Frieden schützt im Krieg (Sieg?)“. Was das Wandgemälde auf der gegenüberliegenden Seite des Gewölbes zeigt ist leider auch in der Vergrößerung nicht zu erkennen. Die Kasematte verfügt über Haken an der Decke für den Transport von Geschützrohren und über eine Lüftungsöffnung in das darüber liegende Stockwerk. Ähnliche kreisrunde Öffnungen finden sich auch heute noch vom ersten zum zweiten Obergeschoss des Kehlturms der Feste Kaiser Franz.

Nachdem die Amerikaner die Requisition der Feste Kaiser Alexander am 13. Januar 1922 aufgehoben hatten,(1) zogen im Juni des gleichen Jahres die Soldaten des französischen Infanterie-Regiments Nr. 151 in das Kernwerk des Festungswerks ein.(2) Die französische Armee benannte das Werk auf der Karthause daraufhin in „Fort Verdun“ um.

Abb. 2: Feste Kaiser Alexander als Fort Verdun, sogenanntes Löwentor, um/nach 1922

Einige deutsche Familien, die zwischenzeitlich hier untergekommen waren, mussten wegen der erneuten Requisition durch die französische Rheinarmee in die notdürftig hergerichteten Häuser der ehemaligen Munitionsanstalt in der Feste Kaiser Franz ausweichen.(3) Das Kernwerk der Feste Kaiser Alexander blieb auch nach der 1922 durchgeführten Entfestigung des Werks weiter mit französischen Soldaten belegt, wie dieses Bild von 1928 aus dem Innenhof des Reduits belegt. Die hier gezeigten Soldaten freuten sich auf das Ende ihrer Dienstzeit in Koblenz. Zwei Bataillone des 151. Infanterie-Regiments verließen Koblenz vermutlich im Oktober 1929.(4)

Abb. 3: Französische Soldaten des 151. Infanterie-Regiments im Kernwerk auf der Karthause, 1928

Das 3. Bataillon des 151. Infanterie-Regiments blieb bis zum Abzug der letzten französischen Soldaten am 30. November 1929 auf der Karthause in Koblenz stationiert, da es als „Wachttruppe der Rheinlandoberkommission“ eingesetzt war.(5) Wie es mit den geräumten Gebäuden auf der Karthause weiter gehen sollte, war zu diesem Zeitpunkt noch unklar. Da die Requirierung durch die Rheinarmee aufgehoben worden war, fiel das gesamte Gelände der ehemaligen Feste Kaiser Alexander wegen des sogenannten „Heimfallrechts“ an das Land Preußen zurück.

Die Stadt Koblenz war allerdings auch weiter an der Übernahme des gesamten Geländes interessiert, die sich jedoch noch bis zum 1. Januer 1934 hinziehen sollte. Interesse meldete auch die Denkmalpflege an, blieb allerdings sehr vage, da das Gebäude ja noch von der französischen Armee genutzt wurde. Am 7. bzw. 8. Mai 1929 hatte der preußische Konservator der Kunstdenkmäler anlässlich einer Ortsbegehung aller sich im Reichsbesitz befindlichen militärischen Liegenschaften zu den Resten des Feste Kaiser Alexander festgestellt: „Auch hier werden einzelne Befestigungsteile aus der Zeit um 1820 unter Denkmalschutz zu stellen sein; näheres könnte erst angegeben werden, wenn die Feste zugänglich ist.“ Und die Stadt Koblenz fügte noch ergänzend hinzu, dass auf den Grundstücken der beiden linksrheinischen Festen „Siedlungen für Erholungsbedürftige und ein Kindererholungsheim in den Gebäuden einzurichten“ gedenke.(7)

Abb. 4: Reste des Kehlreduits der Feste Kaiser Alexander, 2017

Doch dazu sollte es nicht mehr kommen. Nach einer wechselvollen Geschichte als Arbeitslager des RAD, als Luftschutzräume während des Zweiten Weltkriegs und danach als Notquartier und Elendsviertel wurde das im Krieg teilweise schwer getroffene Kernwerk 1964 bis auf wenige Reste beseitigt. Seitdem harren die äußeren Mauern des Kehlreduits einer angemessenen Sicherung und Gestaltung, erinnern sie doch zusammen mit dem benachbarten Löwentor an das einstmals größte Koblenzer Festungswerk auf der Karthause.

Matthias Kellermann

Anmerkungen

(1) Vgl. Schreiben des Hauptquartiers der amerikanischen Truppen in Deutschland Nr. 214-B, 13.01.1922, in: Bundesarchiv Berlin (BA) Best. R 133 Nr. 97, S. 109.
(2) Vgl. Coblenzer Zeitung Nr. 304, 17.06.1922, 2. Blatt: „Von der Besatzung“.
(3) Wo genau die Familien auf der Feste Kaiser Franz unterkamen ist nicht eindeutig geklärt. Laut dem Reichsvermögensamt Koblenz standen die Gebäude der Munitionsanstalt nämlich bis April 1923 leer oder wurden als Lagerräume genutzt (vgl. Schreiben des Reichsvermögensamts Nr. 4408/VIII vom 13.04.1923, in: BA Best. R 133 Nr. 119, S. 120).
(4) Aufstellung „Die Räumung des Stadtkreises Koblenz„, in: StAK Best. 623 Nr. 5182, S. 103.
(5) Ebd.
(6) Stadtarchiv Koblenz. Stadt Koblenz. Amt 23/Liegenschaftsamt. Fach 2 Titel 1097: Ankäufe. Anl.: 7 zur Niederschrift über die Besprechung betr. Verwertung reichseigener Liegenschaften in Koblenz und Ehrenbreitstein. Erläuterungen des Herrn Konservators der Kunstdenkmäler und Anl.: 8 Erläuterungen der Stadt Koblenz zu der Niederschrift über die Besprechung betreffend der Verwertung der reichseigenen Liegenschaften (Kopien, Originalakte nicht mehr auffindbar), S. 7.

Abbildungen

Abb. 1: Sammlung M. Kellermann, Fotografie, Photo Section N° 2, 10. Januar 1919
Abb. 2: Sammlung M. Kellermann, Ansichtskarte, vermutlich Phototypie Daniel Delboy, Mirecourt, um/nach 1922
Abb. 3: Sammlung R. Arenz, Ansichtskarte, Quelle unbekannt, 1928
Abb. 4: Foto M. Kellermann, 2017