100 Jahre Entfestigung – der 15. April 1920

Chefingenieur Bernard A. Miller erläutert die amerikanischen Forderungen

Nachdem am 9. April 1920 die amerikanische Besatzung den Beginn der Entfestigungarbeiten an der Feste Kaiser Franz angeordnet hatte (siehe hier), fand am 15. April eine Besprechung zwischen dem amerikanischen Chefingenieur Bernard A. Miller und dem deutschen Leutnant F. Wagner von der Fortifikation Koblenz statt, um die von den Amerikanern für das System Feste Kaiser Franz geforderten Zerstörungen zu erörtern.

Miller teilte dem deutschen Leutnant zunächst mit, wie die Spreng- und Abtragungsarbeiten vonstattengehen sollten. So war zum Beispiel den Firmen das Betreten der Anlagen, die zu dieser Zeit ja von der amerikanischen Armee (American Forces in Germany, kurz A.F.G.) requiriert waren, nur mit „Forteintrittskarten“ erlaubt, die vorher bei der A.F.G. zu beantragen waren. Sämtliche „Vorsichtsmaßnahmen bei den Arbeiten mussten von der deutschen Fortifikation in die Wege geleitet werden,(1) etwaige Sprengungen waren vorher beim amerikanischen Chefingenieur anzumelden. Über die Frage, wo denn die Sprengstoffe hierfür im entmilitarisierten Rheinland herkommen sollten, wurde interessanterweise aber anscheinend nicht gesprochen.

Der Chefingenieur informierte Leutnant Wagner danach über die geforderten Entfestigungsmaßnahmen an den einzelnen Werken. An der Feste Kaiser Franz waren dies:
– sämtliche Wälle waren inklusive der Traversen abzutragen und die Hohltraversen zu zerstören, die Gräben sollten mit dem Erdreich aufgefüllt werden
– die Hohlgänge in der äußeren Grabenwand waren unbrauchbar zu machen, soweit dies nicht die Kasernenbauten der Feldartillerie-Kaserne gefährdete, außerdem die Minengänge und alle drei Grabenwehren
– die innere Grabenwand wurde in dem Gespräch nicht erwähnt, möglicherweise reichte den Amerikanern bereits das Verfüllen der Gräben zur Unbrauchbarmachung
– Das Kernwerk aus Reduit und Kehlkaponniere sollte erhalten bleiben

Eine Grundbedingung der Amerikaner war außerdem, dass die zu bearbeitenden Flächen komplett eben zu planieren waren. Den Deutschen war zudem gestattet, eventuell bei den Arbeiten anfallendes Steinmaterial zu sichern und als Baustoffe weiter zu verwenden.(2)

Auffallend an dieser Übersicht ist, wie gering die auszuführenden Arbeiten ausfielen. So gesehen konnten die Deutschen mit den amerikanischen Anordnungen sehr zufrieden sein, was sie aber dann doch nicht waren: Der deutsche Vertreter der Heeresfriedenskommission, Generalleutnant August von Cramon, beschwerte sich am 17. April 1920 bei der I.M.K.K. über die seiner Meinung nach zu weitreichende Forderung der Amerikaner nach völliger Einebnung der Wälle.(3) Was von Cramon und auch Wagner natürlich nicht wissen konnten war, wie weitreichend die geforderten Maßnahmen der I.M.K.K. ausfallen würden. Auf das Schreiben von Cramons erfolgte jedenfalls eine prompte Reaktion, die den Deutschen nicht gefallen haben dürfte. Doch dazu kommen wir in Kürze.

Matthias Kellermann

Anmerkungen

(1) Darunter fiel zum Beispiel auch die Informierung über und Warnung der Bevölkerung vor den Sprengarbeiten, was z. B. über die lokale Presse geschah.
(2) Niederschrift über die Besprechung des Leutnants Wagner mit dem amerikanischen Chefingenieur am 15.04., in: LHA Ko Best. 578,002 Nr. 4, Anlage zu Dokument Nr. 600/20.
(3) Schreiben von Cramons Nr. F.37/20 vom 17.04.1920, in: LHA Ko Best. 578,002 Nr. 4, Dokument Nr. 630/20.