Neuendorfer Flesche

Die Neuendorfer Flesche wurde von 1820 bis 1825 nordwestlich der Front der Feste Kaiser Franz unter der Leitung des Hauptmanns Franz Xaver Cornely erbaut.[1] Sie ging aus einem 1819 an dieser Stelle erbauten Luftpulvermagazin hervor, das ab März 1821 mit Graben und Wall umgeben wurde. Die Planungen für das neue Werk gehen vermutlich auf Oberst Gotthilf Keibel zurück.[2]

Rekonstruierte innere Grabenwand der Neuendorfer Flesche, 2009. Foto M. Kellermann.

Vorgeschichte

Bereits 1792 hatten die preußischen Verteidiger der Stadt Koblenz im Neuendorfer Feld mehrere kleinere Verteidigungsanlagen errichtet, zu denen auch eine „Neuendorfer Schanze“ im südwestlichen Bereich der heutigen Theo-Mackeben-Straße und eine Batteriestellung am Wallersheimer Weg in der Nähe des Ortes Neuendorf gehörten. Nach Christian von Massenbach sollte die Ebene zwischen Rhein und Petersberg von einer in Neuendorf stationierten Kompagnie Jäger und von sieben „bey den Sandgruben an der Andernacherstraße“ lagernden Eskadrons Husaren, d. h. insgesamt 14 Kompagnien Kavallerie, verteidigt werden,[3] außerdem sollten die Kanonen der kurfürstlichen Festung Ehrenbreitstein zusätzlich den gesamten Bereich sichern. Genau diese Verteidigungsanlagen erwiesen sich im Oktober 1794 als Schwachpunkt der gesamten Befestigungen auf dem Lützeler Moselufer, als General Marceau hier auf der Rückseite des Petersbergs angreifen ließ und die französische Kavallerie binnen kürzester Zeit das Neuendorfer Feld einnehmen konnte.[4]

Vom Pulvermagazin zur Neuendorfer Flesche

Nachdem 1815 die Rheinlande durch die Beschlüsse des Wiener Kongresses an das Königreich Preußen gefallen waren, begannen 1816 auch die Arbeiten an dem Befestigungsabschnitt auf dem linken Moselufer rund um den Petersberg. Für die Verteidigung der Kehle der Feste Kaiser Franz und des Neuendorfer Feldes, das für die Aufnahme eines großen Heerlagers bzw. für die Anlage von Friedenspulvermagazinen gedacht war, sorgten der massive Kehlturm der Feste sowie die lange krenelierte Mauer, die das Festungswerk mit der nördlich gelegenen Bubenheimer Flesche verband.

Als weitere Verteidigungsmaßnahme war der Bau eines zusätzlichen Festungswerks vorgesehen, das die Ebene im nördlichen Bereich sichern sollte. Die Planung von 1818 sah an dieser Stelle zuerst einen „Montalambertschen Turm mit vorliegendem Erdwerk“ vor.[5] Hier entstand zunächst um 1819 ein Pulvermagazin, dass dann später zum Festungswerk ausgebaut werden sollte. Ende 1819 bzw. im August 1820 wurden zwei Äcker in der Flur „Im krummen Acker“ bzw. „Krummen Acker“ für den Bau eines Luftpulvermagazins von Privat „angekauft“ und eingezogen. Dabei handelte es sich um zwei Felder der 3. Klasse in Sektion B Nr. 79 und Nr. 80, die zusammen 4.430 m² groß waren (43 Ar und 130 Centiar). Der Kaufpreis der Grundstücke belief sich auf 671 Reichtaler, 32 Groschen und 10 Pfennige.[6] 1820 erstellte Oberst Keibel eine erste Planung für den Ausbau des Magazins, für die im Oktober und November des gleichen Jahres die ersten Vorbereitungen laufen. Eine erste Vorlage von General Gustav von Rauch beim Kriegsministerium, die vermutlich auf einer Ausarbeitung von Keibel basiert, „zeigt ein fleschenförmiges Werk mit Reduit, dass bereits die wesentlichen Merkmale des späteren Anlage enthält“, in einigen Punkten aber auch von dem tatsächlich errichteten Werk abweicht. Im gleichen Jahr beginnen auch die ersten Erdarbeiten an den Gräben und Wällen. 1825 war das Festungswerk fertig gestellt,[7] das 1830 dann auch mit Truppen belegt wurde.[8]

Erste Baumaßnahmen nach der Fertigstellung und Ertüchtigungen ab den 1860er-Jahren

In den folgenden Jahren gibt es zunächst keine Nachrichten über konstruktive Veränderungen an der Anlage. Im Zuge der Revolution 1848 wurde die Festung Koblenz und Ehrenbreitstein allerdings in Alarmzustand versetzt und die Werke armiert. Am System Feste Franz bedeutete dies, dass „Pallisaden-Tambours vor der Brücke des Reduits und der Enveloppe“ der drei Fleschen errichtet wurden.[9] Erst 1855 berichtet die Koblenzer Festungsgeschichte dann über bauliche Maßnahmen an der Neuendorfer Flesche. In der Kehle des Werks wurde in diesem Jahr eine Tambour-Mauer erbaut.[10]

Im Zuge der Umbauten der 1860er-Jahre wurde 1865 die hölzerne Brücke am Reduit durch eine Eisenbrücke ersetzt. Ebenfalls 1865 begann die Anlage von Traversen auf der Enveloppe,[11] im folgenden Jahr wurde zusätzlich eine Erhöhung des „Bonnet“ sowie der „Geschützbank“ begonnen und zunächst die „Arbeiten jedoch nur im Rohen ausgeführt“.[12] 1867 erfolgte dann der Bau von vier Hohltraversen sowie die Errichtung von „Endprofilmauern für die beiden Endtraversen“.[13] Damit waren die Umbauten an der Neuendorfer Flesche zunächst abgeschlossen. Der Deutsch-Französische Krieg brachte 1870 eine weitere Armierung der Festung, in deren Zuge das System Franz gemäß „dem Armierungs-Entwurfe“ ertüchtigt wurde, welche Maßnahmen im Einzelnen durchgeführt wurden ist allerdings nicht bekannt.[14] Möglicherweise wurde das Reduit mit einer Erddecke versehen, Verhaue angelegt und das Glacis gerodet.[15] Im Zuge der Nachrüstung der Pulvermagazine wurde 1873 die Decke des Kriegspulvermagazins Nr. 13 auf 1,75 Meter Stärke erhöht.[16]

1883 wurde eine Stahlblechtür an der Hohltraverse 3 ausgetauscht,[17] im folgenden Jahr erhielten auch die Hohltraversen 2 und 4 neue Tore aus „5 Millimeter starken Bessemer“ Stahl.[18] In dieser Zeit wurden auch die Beleuchtungsnischen in den Artillerieräumen angepasst beziehungsweise ergänzt und vermutlich auch die Hohltraverse 3 (kommt weiter oben schon einmal?) mit einem neuen Stahltor versehen.[19] Dies waren die letzten dokumentierten Arbeiten, die an der Neuendorfer Flesche durchgeführt wurden. In den Jahren 1881 wurden in der Bubenheimer Flesche und der Moselflesche die hölzernen Brücken durch Erddämme ersetzt,[20] gleiches erfolgte 1883 in der Rheinschanze.[21]

Auflassung und weitere Nutzung

Nach der per A.K.O. vom 13. März 1890[22] verfügten Aufgabe des Systems Franz blieb die Neuendorfer Flesche weiter unter militärischer Verwaltung. Anlässlich des Kaisermanövers und der „Kaiserparade“, die zwischen den Orten Kärlich und Kettig abgehalten wurden, kamen im Sommer 1897 in der Bubenheimer und der Neuendorfer Flesche zusätzliche Truppen in Zelten unter, die aus diesem Anlass extra vom Truppenübungsplatz Elsenborn nach Koblenz gebracht worden waren.[23] 1898 gab es Pläne, auf der Flesche eine Kaserne zur Unterbringung von Teilen des Königs-Infanterie-Regiments Nr. 145 zu errichten, das zur Verstärkung der Garnison von Metz nach Koblenz verlegt werden sollte.[24] Schließlich war 1908 die Anlage eines Exerzierplatzes auf dem Gelände der Neuendorfer Flesche geplant,[25] der im gleichen Jahr nördlich des Festungswerks errichtet wurde (hier befindet sich heute der Sportplatz in der Rhein-Kaserne).[26] Die Wallanlagen und Gräben des Werks waren bis Sommer 1912 „zur Grasbewirtschaftung“ verpachtet, bis dann Ende Juli 1912 der Abriss des Mauerwerks durch Sprengung begann.[27]

— Wird fortgesetzt —

Matthias Kellermann

Anmerkungen

[1] Vgl. Bonin, zweiter Teil, S. 130 und StAK Signatur HK 11 Dzi: Dziobek, Ernst: Kriegs- und Befestigungsgeschichte von Coblenz und Ehrenbreitstein, Koblenz 1834 (künftig: StAK HK 11 Dzi, Dziobek), Blatt 149f. Darin enthalten sind auch: „Festungs-Geschichte von Coblenz und Ehrenbreitstein 1834 bis 1905“ (künftig: StAK HK 11 Dzi, Festungs-Geschichte) sowie „2. Spezial-Geschichte der einzelnen zur Ausführung gekommenen Bauten“ (künftig: StAK HK 11 Dzi, Spezial-Geschichte). Zu Cornely, Franz Xaver vgl. Eintrag in StAK DB 8 Militär: Alphabetische Liste der in Koblenz beschäftigten preuß. Ingenieroffiziere 1815 – 1914.
[2] Weber, Klaus T.: Die preußischen Festungsanlagen von Koblenz (1815–1834), Weimar 2003 (Reihe: Kunst- und Kulturwissenschaftliche Forschungen Band 1), S. 249 (künftig: Weber, Festungsanlagen).
[3] Massenbach, Christian von: Ausführliche Beschreibung des Kriegsschau-platzes zwischen dem Rhein, der Nahe und Mosel, nebst Betrachtungen über einige der merkwürdigsten Begebenheiten, welche sich auf diesem Kriegsschauplatze in den Jahren 1793 und 1794 ereignet haben. 1. Band, 2. Stück, Berlin 1799), S. 290.
[4] Vgl. das Kapitel zur Eroberung von Koblenz in: Kellermann, Matthias: 200 Jahre Feste Kaiser Franz. Eine Befestigungsgeschichte vom Frankreichfeldzug und dem „schönsten Werk der Preußen“ bis zum Bau der Feste Kaiser Franz (1792-1822), herausgegeben von Feste Kaiser Franz e.V., Koblenz 2024, S. 33-39.
[5] Weber, Festungsanlagen, S. 249.
[6] Vgl. Amts-Blatt der Königlichen Regierung zu Coblenz, Jahrgang 1820, Nr. 37, 4.09.1820, S. 328 und S. 330. Nach Albrecht Daniel Thaer ist ein Acker der dritten Klasse „jeder sogenannte leichte Boden, d.h. derjenige Boden, in dessen Mischung überwiegend mehr Sand als Lehm und Grandtheile enthalten sind“ (Thaer, Albrecht: Ueber große und kleine Wirthschaften und über Werthschätzung des Bodens, Berlin 1812, S. 174).
[7] Weber, Festungsanlagen, S. 249.
[8] Ebd., S. 250 und StAK HK 11 Dzi, Dziobek, Blatt 150.
[9] StAK HK 11 Dzi, Festungs-Geschichte, Blatt 6.
[10] StAK HK 11 Dzi, Festungs-Geschichte, Blatt 18.
[11] Vgl. StAK HK 11 Dzi, Spezial-Geschichte, Blatt 71.
[12] StAK HK 11 Dzi, Spezial-Geschichte, Blatt 75.
[13] StAK HK 11 Dzi, Spezial-Geschichte, Blatt 77.
[14] StAK HK 11 Dzi, Spezial-Geschichte, Blatt 84.
[15] Vgl. StAK HK 11 Dzi, Spezial-Geschichte, Blatt 88.
[16] Vgl. StAK HK 11 Dzi, Spezial-Geschichte, Blatt 92.
[17] Vgl. StAK HK 11 Dzi, Spezial-Geschichte, Blatt 139.
[18] StAK HK 11 Dzi, Spezial-Geschichte, Blatt 142.
[19] Vgl. StAK HK 11 Dzi, Spezial-Geschichte, Blatt 145.
[20] StAK HK 11 Dzi, Spezial-Geschichte, Blatt 135.
[21] StAK HK 11 Dzi, Spezial-Geschichte, Blatt 139.
[22] Siehe auch Allgemeine Militär-Zeitung Nr. 54, 08.07.1890, S. 430: „Die Festungswerke auf dem linken Mosel-Ufer, der Petersberg und die detachirten Forts der Bubenheimer und Neuendorfer Flesche werden gleichfalls aufgegeben. Letztere sind theilweise schon beseitigt und zum Erweiterungsbau des Güterbahnhofs der linksrheinischen Eisenbahn benutzt worden.“
[23] Düsseldorfer Volksblatt Nr. 195, 22.07.1897, S. 3. Siehe Cölnische Zeitung vom 30.08.1897 für eine detaillierte Darstellung.
[24] Vgl. Paderborner Anzeiger Nr. 78, 28.09.1898, S. 3.
[25] Vgl. Mayener Volkszeitung Nr. 117, 21.05.1908, S. 2. In dem Artikel wird über eine ganze Reihe von militärischen Neubauten berichtet.
[26] Vgl. StAK DB08 Militär, 03 System Feste Kaiser Franz, Neuendorfer Flesche (System Feste Kaiser Franz).
[27] Vgl. Coblenzer Zeitung Nr. 346, 27.7.1912, 4. Blatt.