100 Jahre Entfestigung – der 17. Juni 1920

Sprengstoffe für die Entfestigung

Auch wenn im Juni noch keinerlei Informationen über das Ausmaß der zu erwartenden Entfestigungsarbeiten vorlagen, hatte der damalige Leiter des Koblenzer Entfestigungsamts Oberstleutnant a. D. Eduard Hüger bereits am 9. Juni 1920 beim zuständigen amerikanischen Chefingenieur Bernhard A. Miller die Freigabe zur Einführung von Sprengmunition aus dem Reich beantragt. Den Bedarf hatte er wie folgt überschlagen: „9000 kg Sprengstoffe oder Pulver, 1100 Stück Glühzünder oder Sprengkapseln, 300 m Zündschnur, 2 Zündapparate, 2 Leitungsprüfer. Sämtliche Gegenstände zusammen sind eine Waggonladung.“

Als Lagerort für die alte Heeresmunition waren zunächst die Hohltraversen auf dem Wall der Feste Kaiser Franz vorgesehen, da diese „mit eisernem Tore“ verschließbar waren. Zudem wurde das Gelände von der amerikanischen Armee genutzt und war vermutlich entsprechend bewacht. Chefingenieur Miller stimmte der Einfuhr am 11. Juni dann auch zu.(1) Daraufhin wies der deutsche Entfestigungskommissar Klotz das Artillerie-Depot in Kassel am 17. Juni an, die nachfolgende Munition nach Koblenz auf den Weg zu bringen:
„7 000 Stck. Sprengpatronen
500 “ Sprengkörper
2500 kg Sprengpulver
700 Stck. Glühzünder
400 “ Sprengkapseln
200 m Guttaperchazündschnur
300 m Schnellzündschnur
200 Stck. Zündschnuranzünder“
(2)

Unwägbar blieb zu diesem Zeitpunkt allerdings, ob sich womöglich Hindernisse bei der Einfuhr von Munition in das besetzte und entmilitarisierte Rheinland ergeben würden, zumal der definitive Beginn der Sprengarbeiten in Koblenz noch nicht festgelegt war. Anfang Juli 1920 erging daher die Anordnung des Reichsschatzministers, zunächst auf noch vorhandene Bestände an Sprengpulver zurückzugreifen, die Mengen bei den Sprengungen zu reduzieren und wo dies möglich war auf den Einsatz von brisanten Sprengstoffen zu verzichten: „Bei den auszuführenden Sprengarbeiten ist daher äußerste Sparsamkeit beim Verbrauch der Munition geboten. Die Ladungen sind nur so stark zu machen, daß der beabsichtigte Zweck, Unbrauchbarmachen, gerade noch erreicht wird. … Anstelle brisanter Sprengmunition ist überall da, wo es irgend angängig ist, Sprengpulver zu verwenden. Z. B. bei der Niederlegung der äußeren Grabenmauern, bei Breschen durch den Wall usw.“(3) Wegen fehlender genehmigter Frachtbriefe(4) dauerte es dann auch eine geraume Zeit, bevor die brisante Fracht schließlich gegen Ende Juli 1920 in Koblenz eintraf und zunächst in der „Schulterwehr auf dem Wall am rechten Kehlpunkt“ der Feste Kaiser Franz eingelagert wurde.(5)

Für die Entfestigung des Systems Feste Franz standen daher zu Beginn der Sprengarbeiten an der Bubenheimer Flesche im September 1920 lediglich ca. 6,9t „Sprengpatronen“ und 2,5t Pulver zur Verfügung.(6) Doch darauf kommen wir später noch zu sprechen. Zunächst einmal mussten die Schleifungspläne fertig gestellt werden.

Matthias Kellermann

Anmerkungen

(1) Schreiben des Entfestigungsamts vom 09.06. und 11.06.1920, in: LHA Ko Best. 578,002 Nr. 3, Dokument Nr. 177/20 [Nr. wurde anscheinend doppelt vergeben].
(2) Schreiben des Entfestigungskommissars Nr. 430/20 vom 17.06.1920, in: LHA Ko Best. 578,002 Nr. 3, Dokument Nr. 225/20. Die Zuständigkeit ging am 26. Juli 1920 auf die Reichsvermögensverwaltung für das besetzte rheinische Gebiet über (vgl. Schreiben der Reichsvermögensverwaltung für das besetzte rheinische Gebiet Nr. 83/20 E vom 26.07.1920, in: LHA Ko Best. 578,002 Nr. 3, Dokument Nr. 469/20).
(3) Schreiben des Reichsschatzministers Nr. II 9/3057.20 vom 03.07.1920, in: LHA Ko Best. 578,002 Nr. 3, Dokument Nr. 371/20. Die Anordnung zum verstärkten Einsatz von Pulver wurde am 21. August 1920 widerrufen, stattdessen sollten nun doch brisante Sprengstoffe zum Einsatz kommen (vgl. Schreiben des Reichsschatzministers Nr. V 4/358.20 vom 21.08.1920, in: LHA Ko Best. 578,002 Nr. 3, Dokument Nr. 637/20).
(4) Vgl. Schreiben des Entfestigungsamts Koblenz Nr. 403/20 vom 16.07.1920, in: LHA Ko Best. 578,002 Nr. 3, Dokument Nr. 403/20.
(5) Vgl. handschriftliche Bestandsübersicht vom 31.08.1920, in: LHA Ko Best. 578,002 Nr. 3, Anlage zu Dokument Nr. 663/20.
(6) Handschriftliche Bestandsübersicht vom 31.08.1920, in: LHA Ko Best. 578,002 Nr. 3, Anlage zu Dokument Nr. 663/20.