100 Jahre Entfestigung – der 9. April 1920

Eine unerwartete Wendung: Die Amerikaner ordnen die Schleifung der Feste Kaiser Franz an

Noch bevor die Interalliierte Militär-Kontrollkommission (I.M.K.K.) ihre Arbeit am 10. Januar 1920 aufnahm, war die amerikanische Besatzung in Koblenz schon in der Entfestigungsfrage aktiv geworden. Bereits am 4. September 1919 hatte sie von den Deutschen eine Liste der Festungswerke angefordert, die in der Koblenzer Zone für eine Schleifung infrage kommen würden. Mitte Oktober 1919 waren die amerikanischen Pioniere dann damit beschäftigt, Schleifungspläne für die Festungsanlagen auszuarbeiten.

Während die I.M.K.K. noch an der Festlegung der zu zerstörenden Festungswerke arbeitete und sich über den Umfang der zu fordernden Maßnahmen und deren Umsetzung Gedanken machen musste, ordnete der amerikanische Chief Engineer Bernard A. Miller(1) bereits am 9. April 1920 die “Schleifung des Forts Franz und angrenzenden Werke” an. Zu den vorzunehmenden Entfestigungsarbeiten führte Miller darin aus: „In Ausführung dieses Befehls sind alle äußeren und inneren Grabenwände vollständig abzutragen, Gräben auszufüllen und Wälle einzuebnen. Mit Rücksicht auf die Nähe bewohnter Gebäude ist kein ausgedehnter Gebrauch von Sprengstoffen erlaubt. […] Die Arbeit ist sofort zu beginnen und bis zur Vollständigkeit durchzuführen.„(2) Die hier geforderten Maßnahmen gehen auch aus einem amerikanischen Schleifungsplan vom Mai 1920 hervor, der sich in den Akten des deutschen Entfestigungskommissars befindet.(3) Danach sollte in der Front und auf der rechten Seite des Werks die äußere Grabenwand stehen bleiben, was auf die Nähe zu der von den Amerikanern genutzten Feldartillerie-Kaserne zurückzuführen ist. Auch sollte das Kernwerk der Feste Kaiser Franz, bestehend aus Reduit und Kehlturm, erhalten bleiben.

Zu ersten Entfestigungsarbeiten kam es im April 1920 dann noch nicht. Am 22. April 1920 widerrief Chief Engineer Miller seine Anordnung, möglicherweise auf Druck der eigentlich für Entfestigungsfragen zuständigen I.M.K.K.(4) Einige Tage zuvor war diese nämlich ihrerseits wieder aktiv geworden, wovon demnächst zu berichten sein wird.

Matthias Kellermann

Anmerkungen

(1) Major Bernard August Miller (1888-1921) war seit September 1919 Chief Engineer der American Forces in Germany (A.F.G.). Er starb am 18. Dezember 1921 in Koblenz an einer Grippeerkrankung. Eine kurze Biographie und ein Bild Millers (auf der vorherigen Seite) finden sich hier.
(2) Schreiben des Headquarters of American Forces in Germany vom 09.04.1920, in: Landeshauptarchiv Koblenz (LHA Ko) Best. 578,002 Nr. 4, Dokument Nr. 42/20. Die Einschränkung des Gebrauchs von Sprengstoffen geht möglichweise auf die Erfahrungen im Februar 1919 zurück (siehe hier).
(3) Diese Akten werden im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin aufbewahrt.
(4) Vgl. Schreiben des Chief Engineers A.F.G. B.A. Miller vom 22.04.1920, in: LHA Ko Best. 578,002 Nr. 4.