Fundstück der Woche 04/2024

Im Artilleriedepot an der Feste Kaiser Franz, 1919

Die Fundstücke der Woche 04/2024 sind eine Reihe von Fotografien des amerikanischen Signal Corps (USASC), aufgenommen 1919 im Artilleriedepot der Feste Kaiser Franz. Sie zeigen nicht nur die Wagenhäuser des Depots, sondern geben auch Hinweise auf die Nutzung des Geländes und der Gebäude während der amerikanischen Besatzung im Rheinland (1918-1923).

Abb. 1: Blick auf die Wagenhäuser Nr. 13 (links), Nr. 11 (hinten) und Nr. 9 (rechts), 1919

Das ehemalige Artilleriedepot in Lützel diente zunächst der 3. US-Armee und später den American Forces in Germany als Quartermaster Corps Depot. In Abbildung 1 sind amerikanische Soldaten zu sehen, die der Bildbeschreibung nach in Ballen verpackte „overcoats“ (Übermäntel oder Überzieher) entladen. Interessant an dem Foto ist der Blick auf die Wagenhäuser im Depot. Gut zu sehen ist der Originalzustand des Wagenhauses Nr. 13 links im Bild, das außerdem die Bezeichnung „Artillerie Wagenhaus N 13. Erbaut 1875-1876“ trägt, sowie das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Wagenhaus Nr. 11 (Bildmitte). Bemerkenswert ist außerdem die Anzahl der Gleise, die zu den südlichen Wagenhäusern führen; von diesen ist heute nur noch das Gleispaar rechts im Bild erhalten.

Abb. 2: Südliche Kopfseite des Wagenhauses Nr. 13, 1919

Abbildung 2 zeigt die südliche Kopfseite des Wagenhauses Nr. 13. Hier war laut Bildbeschreibung das Büro des Quartermasters untergebracht.

Abb. 3: Blick in das Artilleriedepot nach Süden, 1919

Diverse Güter wurden 1919 auch im Freien gelagert, hier in dem Bereich zwischen Wagenhaus Nr. 13 (rechter Bildrand Mitte) und dem nördlich gelegenen Kehlturm (nicht im Bild). Abbildung 3 zeigt Schmiedekohlen („Blacksmith Coal“), Lederfett („Dubbin“), Schuhnägel („Caboche Nails“) und Hufnägel („Horseshoe Nails“), die laut Bildbeschreibung allesamt dem wöchentlichen Bedarf dienten. Die Hufnägel wurden z.B. für die Pferde benötigt, die in den Lützeler Kasernen untergebracht waren (Trainkaserne und Feldartilleriekaserne).

Außerdem im Bild zu sehen (zwischen Lagerplatz und Wagenhaus Nr. 13) ist das 1872-1873 errichtete Dienstwohn-Gebäude des Artillerie-Depots.(1) Der Neubau war nötig geworden, da das Personal nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871 erheblich aufgestockt worden war.(2) Bis Jahresende 1872 konnte an dem Gebäude die „Ausmauerung der Fachwände“(3) und im darauffolgenden Jahr der Innenausbau beendet werden.(4) Womöglich diente das Haus der amerikanischen Besatzung als Sanitätsstelle, da es mit einem gut sichtbaren roten Kreuz versehen ist. Nachdem die spätere französische Besatzung das Gelände Mitte November 1929 geräumt hatte, wurde das Dienstwohn-Gebäude 1932 als Wohngebäude genutzt bzw. war dafür vorgesehen,(5) vermutlich wurde es dann später im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Abb. 4: Blick in das Artilleriedepot nach Norden, links im Bild der Kehlturm der Feste Kaiser Franz, 1919

Abbildung 4 lässt erahnen, wie nahe das Artilleriedepot sich ursprünglich zum Lützeler Güterbahnhof befand. Im Bild rechts sind die Abzweige von den Gleisanlagen in das Depot zu sehen. Hier wurden laut Bildbeschreibung die wöchentlichen Bedarfe entladen (und gelagert). Der Blick geht vom offenen Lager nach Norden in Richtung der Trainkaserne (zu der Zeit „Artillery Barracks“ genannt). Zu sehen ist außerdem der Kehlturm, an dessen südlicher Außenwand schon damals die senkrechten Risse im Mauerwerk auszumachen sind. Interessant ist auch der Hinweis auf das Spritzenhaus, das unterhalb des Reduits zwischen Kehlturm und (dem heute nicht mehr vorhandenen) Wagenhaus Nr. 12 stand. Hier befindet sich heute noch eine große Betonfläche aus der Zeit der Standortverwaltung der Bundeswehr.

Abb. 5: Blick auf Reduit und Kehlturm, 1919

Das besagte Spritzenhaus ist im Abbildung 5 zu sehen. Dieses wurde 1875 während der Errichtung des Wagenhauses Nr. 13 erbaut.(6) Links im Bild befindet sich außerdem eine Rampe, die vermutlich zu einer der beiden zu Türenöffnungen erweiterten Schießscharten in den oberen Kasematten des Kehlturms führt. Die Rampe links im Bild führt demzufolge in das Obergeschoss des Wagenhauses Nr. 12. Bei den hier gezeigten Wagen handelt es sich um Wasserwagen der amerikanischen Armee. Laut Bildbeschreibung lagerten hier zu dieser Zeit außerdem sieben Millionen Schuss britischer Munition, die für die Türkei bestimmt waren. In welchem Gebäudeteil (Kehlturm oder Reduit) ist leider unklar. Die 3. US-Armee hatte bei Antritt ihrer Besatzung alle verbliebenen Munitionsbestände von den Deutschen übernommen (siehe Fundstück der Woche 09/2018).

Abb. 6: Wagenhäuser Nr. 4 und Nr. 18, 1919

Das letzte Foto in dieser Serie zeigt amerikanische Soldaten während des Entladens bzw. beim Einlagern von Gütern in das Wagenhaus Nr. 4 (und gegebenenfalls auch in die Nr. 18 oben rechts im Bild). Filmaufnahmen von diesem Tag finden sich hier (vom Beginn bis Minute 1:29). Das Wagenhaus Nr. 4 (erbaut zwischen 1894 und 1903) ist hier noch im Originalzustand zu sehen. Es diente zu dieser Zeit als „subsistence warehouse“ (Lebensmittellager). So wurde an diesem Tag zum Beispiel australische Marmelade eingelagert. Der Bildbeschreibung nach wurden die Waren hier veräußert (in der Beschreibung „Sales Commissaries“ genannt, siehe hier in der englischen Wikipedia).

Nachdem die Amerikaner ihr Quartermaster Depot an der Feste Kaiser Franz im Zuge der Truppenreduzierungen zum 30. Juni 1922 aufgegeben hatten, übernahm im Oktober 1922 die französische Besatzung den Komplex.(7) Zu welchem Zweck bedarf allerdings noch weiterer Forschungen.

Über weitere amerikanische Bilder (Depot Metternich, Trainkaserne, Fahrzeugdepot am Moselufer) wird noch zu berichten sein.

Matthias Kellermann

Anmerkungen

Die Quellenangaben der im Text genannten Bildbeschreibungen werden nicht gesondert aufgeführt, sie sind jeweils in den unten verlinkten Originalfotos zu finden.

(1) Freundlicher Hinweis von C. Brocke.
(2) Stadtarchiv Koblenz (StAK) HK 11 Dzi: Dziobek, Ernst: Kriegs- und Befestigungsgeschichte von Coblenz und Ehrenbreitstein, Koblenz 1834, darin: „Festungs-Geschichte von Coblenz und Ehrenbreitstein 1834 bis 1905″, Blatt 60.
(3) Ebd., Blatt 90.
(4) Vgl. ebd., Blatt 91.
(5) Vgl. Gastmann, Albert: Die alte Festung Koblenz. Ihr Schicksal einst und Morgen (Schluß), in: StAK, Koblenzer Volkszeitung Nr. 166, 21.07.1932.
(6) StAK HK 11 Dzi, Blatt 97.
(7) Vgl. Kellermann, Matthias: 100 Jahre Entfestigung. Feste Kaiser Franz. 1920-1922, Bonn 2022, S. 21 und S. 56.

Abbildungen

Abb. 1: National Archives, Washington, Record Group 111, Photographs of American Military Activities, Bild Nr. 111-SC-155353_001, Fotograf Sergeant F. G. Carnahan, 9. Februar 1919, gemeinfrei. Ausschnitt bearbeitet von M. Kellermann (Link zum Original).
Ein weiteres Bild vom Entladen an diesem Tag findet sich hier.
Abb. 2: National Archives, Washington, Record Group 111, Photographs of American Military Activities, Bild Nr. 111-SC-155355_001, Fotograf Sergeant F. G. Carnahan, 9. Februar 1919, gemeinfrei. Ausschnitt bearbeitet von M. Kellermann (Link zum Original).
Abb. 3: National Archives, Washington, Record Group 111, Photographs of American Military Activities, Bild Nr. 111-SC-155351_001, Fotograf Sergeant F. G. Carnahan, 9. Februar 1919, gemeinfrei. Ausschnitt bearbeitet von M. Kellermann (Link zum Original).
Abb. 4: National Archives, Washington, Record Group 111, Photographs of American Military Activities, Bild Nr. 111-SC-155348_001, Fotograf Sergeant F. G. Carnahan, 9. Februar 1919, gemeinfrei. Ausschnitt bearbeitet von M. Kellermann (Link zum Original).
Abb. 5: National Archives, Washington, Record Group 111, Photographs of American Military Activities, Bild Nr. 111-SC-155349_001, Fotograf Sergeant F. G. Carnahan, 9. Februar 1919, gemeinfrei. Ausschnitt bearbeitet von M. Kellermann (Link zum Original).
Abb. 6: National Archives, Washington, Record Group 111, Photographs of American Military Activities, Bild Nr. 111-SC-155359_001, Fotograf Sergeant F. G. Carnahan, 10. Februar 1919, gemeinfrei. Ausschnitt bearbeitet von M. Kellermann (Link zum Original).
Ein weiteres Bild vom Entladen an diesem Tag findet sich hier.