Fundstück der Woche 05/2025

Kokille, 19. Jahrhundert

Das Fundstück der Woche 05/2025 ist eine sogenannte Kokille, eine Gießzange für Bleikugeln, die bei den Arbeiten auf der Feste Kaiser Franz im Dezember 2024 im Bereich der Grabenwehr/Poterne gefunden wurde.

Abb. 1: Kokille, Bodenfund, 2024

Diese Zange war dafür gedacht, Bleikugeln über einer Feuerstelle zu gießen, wie sie vom 18. Jahrhundert bis zum Ende des 19. Jahrhunderts verwendet wurden. Möglicherweise waren dies die alten Rundkugeln, wie sie bis zur Mitte des Jahrhunderts  zum Einsatz kamen, oder für die späteren Kugelformen, sogenannte Minié-Geschosse, die zwar noch aus Blei, jedoch ballistisch geformt waren.

Abb. 2: Französische Bleikugeln, um 1800. Privatsammlung des Autors.

Unter dem breiten Publikum hält sich hartnäckig das Gerücht, dass Soldaten selbst ihre Kugeln am Lagerfeuer gegossen hätten. Dies war allerdings nicht der Fall, oder höchstens in Sondersituationen. Zunächst muss man berücksichtigen, dass die Kugel allein noch keinen Dienst erweist, denn es fehlt die Treibladung, um diese aus dem Lauf der Muskete zu treiben. Und Pulver findet man nicht am Lagerfeuer.
Munition wurde eher im großen Stil  im sogenannten Laboratorium hergestellt, wo Kugel und Pulver zusammen in einer Patrone verheiratet wurden. Beim Laden der Muskete wurde zunächst das Pulver in den Lauf gegeben und dann die Kugel mit dem Papier hinterher geladen. Dieses diente insofern als Schusspflaster.

Abb. 3: Patrone (Replikat), um 1800. Privatsammlung des Autors.

Beim Hantieren mit Schwarzpulver waren jedoch Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten. Die Soldaten durften zum Beispiel keine genagelte Schuhen tragen, ein Holzboden musste in der Anstalt vorhanden sein, sogar die Pulverfässer waren mit Holz und nicht mit Eisen beschlagen. Und natürlich war offenes Feuer strengstens fernzuhalten, sodass in damaligen Pulvermagazinen das Licht in Nischen außerhalb der Kammer und mit einer Glasscheibe von dieser getrennt zu bleiben hatte. Auch aus diesem Grund muss die Gießerei abseits erfolgen. Die fertigen Patronen wurden dann in Munitionswagen (französisch „Caissons“) geladen und den Armeen durch Train-Abteilungen  geliefert. Dort wurden sie an die Soldaten verteilt (etwa 60 Schuss pro Soldat vor einer Schlacht). Der Rest blieb in den Caissons, um als Reserve zu dienen.

Wenn jedoch die Armeen weit entfernt von ihrer Operationsbasis waren, wurde die Versorgung mit Munition schwieriger. Hier kamen die Feldhandwerker zum Einsatz, die in provisorischen Lagern diese verschiedenen Arbeiten übernahmen. Ein solcher Platz wurde im Dezember 2024 in Koblenz-Arenberg gefunden (zur Pressemeldung der Stadt Koblenz geht es hier, zur Pressemeldung der GDKE geht es hier (jeweils Archivversion)).

Dort befinden sich drei Gruben mit mehreren kleineren Feuerstellen, die rundum verteilt sind. Diese sind zu klein für Lagerfeuer, außerdem dafür ungünstig verteilt und weisen keine große Erhitzung vor. Zusätzlich wurden dort relativ viele französische Bleikugeln gefunden. Die größere Gruben wurden eventuell für das Anbringen von Blasebälgen verwendet. Schließlich wurde im rückwärtigen Bereich der Anlage eine quadratische Fläche mit einem Holzboden gefunden, hier stand vermutlich ein Zelt. Das ganz könnte möglicherweise eine Feldgießerei mit provisorischer Munitionsanstalt zur Herstellung der Patronen gewesen sein.

Abb. 4: Hauptgrube in Arenberg, 2024

Wenn wir berücksichtigen, dass die Franzosen zwischen 1795 und 1799 vier Mal die Festung Ehrenbreitstein belagerten, die Gruben vier verkohlte Nutzungshorizonte vorweisen und dass diese Anlage sich außerhalb, aber in der Nähe der Belagerungsarbeiten vor der Festung befindet (wo Belagerer ebenfalls Nachschub gut gebrauchen konnten), nimmt diese Vermutung eine sichere Gestalt an. Die revolutionären Armeen zogen fast immer durch den Westerwald und den Taunus Richtung Wetzlar und Frankfurt und neben der Anlage verlief die Straße nach Montabaur, sodass eine rasche Nachversorgung hiermit gewährleistet gewesen sein könnte.

Die damaligen Gewehrkaliber waren unterschiedlich. Die Franzosen hatten Musketen Kaliber .69 (Kaliber 17,5 mm, für Kugeln 16,5 mm), die Preußen Kaliber .75 (19 mm). So konnten die Franzosen keine preußischen Kugeln in ihren eigenen Musketen verwenden. Dies erlaubte auch die gefundenen Bleikugeln in Arenberg als französische zu identifizieren. Kugeln, die dem Gegner abgenommen worden sind, mussten erst neu gegossen und die Papierpatronen neu gerollt werden, bevor eine weitere Verwendung möglich wurde. Auch das Einsammeln durch die Bevölkerung verlorener und abgeschossener Kugeln, möglicherweise gegen eine kleine Bezahlung, sollte man in Erwägung  ziehen.

Abb. 5: Französische Muskete Modell 1777 (Original). Privatsammlung des Autors.

Die neuen gegossenen Kugeln wurden dann vermutlich zu einer Patrone gewickelt und in dem Zelt mit Pulver vervollständigt, anschließend in Kisten verpackt und an die Transportabteilung weitergereicht.

Eine Anlage, wie sie in Arenberg gefunden wurde, ist unserem Wissens nach bis jetzt einmalig.

Jean-Noël Charon, Koblenz, den 16. Dezember 2024

Abbildungen

Abb. 1: Foto Feste Kaiser Franz e.V.
Abb. 2-5: Foto Jean-Noël Charon