Fundstück der Woche 07/2017

Großer Uebelstand“ an der Feste Kaiser Franz, 1895

Das Fundstück der Woche 07/2017 ist ein Artikel aus der Coblenzer Zeitung vom 26. April 1895, der sich mit dem Zustand der Umgebung der Feste Kaiser Franz beschäftigt.

Mit Allerhöchster Kabinettsorder (A.K.O.) vom 13. April 1890, fast auf den Tag genau 73 Jahre nach der Grundsteinlegung, wurde die Feste Kaiser Franz mit den sie umgebenden Festungswerken (Moselflesche, Bubenheimer Flesche, Neuendorfer Flesche, Metternicher und Rübenacher Schanze sowie Rheinschanze) außer Dienst gestellt. In der betreffenden Order Kaiser Wilhelms II. heißt es dazu, „dass zur Vereinfachung der Festung Coblenz die Stadtbefestigung von Coblenz und Thal Ehrenbreitstein sowie diejenigen des Hauptabschnitts Franz gänzlich aufgegeben werden“.(1) Trotz dieser Aufgabe blieben die nun aufgelassenen Festungswerke unter militärischer Verwaltung und wurden zum Teil weiter genutzt. So entstand z. B. im Werkhof der Feste Kaiser Franz eine Munitionsanstalt (sogenanntes „Friedenslaboratorium„).

In den folgenden Jahren blieb die Feste Kaiser Franz sich selbst überlassen, sodass Flora und Fauna im Vorfeld des Festungswerks weiter gut gedeihen konnten. Das im folgenden Text erwähnte Glacis rund um die Feste Kaiser Franz war das flache Gelände unmittelbar um die Festungsgräben, das zur äußeren Grabenwand leicht anstieg. Dieser Bereich sollte im Belagerungsfall unbebaut sein, um dem Angreifer keine Deckung und dem Verteidiger freies Schussfeld zu bieten. In Friedenszeiten wurde das Glacis allerdings mit Bäumen und Sträuchern bepflanzt, um potenziellen feindlichen Aufklärern die Sicht auf das Werk zu verdecken. Im Armierungsfall holzte man die Bäume und Sträucher wieder ab und verwendete diese zur Verteidigung, die im Erdreich verbleibenden Wurzeln sollten dem Angreifer das Schanzen im Vorfeld erschweren.

“The Prussians appear to plant trees and brushwood on the glacis of their forts; the plan has two great recommendations: 1st, when a place is being prepared for a siege, timber and brushwood are much required; and, 2ndly, when a place is being besieged, roots on the glacis hinder the besiegers from pushing their saps as rapidly as they otherwise would.”(2)

Leider fehlen am linken Rand der Quelle einige Wörter, die nach Möglichkeit aus dem Kontext heraus ergänzt und zur besseren Kenntlichmachung in eckige Klammern gesetzt wurden.

„Lützel-Coblenz, 26. April.
Großer Uebelstand.
In welchem Zustande sich
[die] Glacis an der Veste Franz und der Moselflesche be[find]en, spottet jeder Beschreibung. Täglich sieht man […] Trupps von Schulkindern in demselben herum[streif]en und die kaum grünende Bäume und Sträucher zer[tret]en. Von Gras, welches immer dort so üppig wuchs, [ist] fast nichts mehr zu sehen. Um die Glacis war früher [ein] Drahtzaun, welcher aber jetzt ganz verschwunden ist. [Die] Nachtigallen, welche noch jedes Jahr ihre Brutstätten [dor]t aufschlugen, sind auch nicht mehr zu finden. Vor [ein]igen Tagen stiegen mehrere Knaben auf einen Baum, [warfen] ein Vogelnest mit mehreren Eiern herunter, vertheilten die […] unter sich und warfen das Nest fort. Es fehlt […] fast gänzliche Beaufsichtigung, und das Herz thut [eine]m im Leibe weh, wenn man die Zerstörung der An[lage]n und die Vertreibung der Singvögel sieht, ohne […] eingreifen zu können. Wir bitten deshalb die […] Lehrer und Eltern, dem wüsten Treiben der Kinder [Ein]halt zu gebieten. Jedermann wird ihnen hierfür [dan]kbar sein.“(3)

Interessant am Text ist, dass der Autor sich mehr Sorgen um Flora und Fauna als um das Wohl der eindringenden Kinder macht. Bis in die jüngere Vergangenheit diente das Gelände der Feste Franz Kindern und Jugendlichen als Abenteuerspielplatz, ohne dass die potentiellen Gefahren desselben (z. B. diverse Absturzmöglichkeiten) den Heranwachsenden bewusst waren.

Matthias Kellermann

Anmerkungen

(1) Rolf, Rudi: Die Entwicklung des deutschen Festungssystems seit 1870: vollständige und bearbeitete Ausgabe des Manuskriptes, Tweede Exloermond 2000, S. 68.
(2) Lennox, Wilbraham: Notes on a trip to Prussia in 1868, in: Papers on subjects connected with the duties of the corps of Royal Engineers, contributed by officers of the Royal Engineers, new series, Vol. XVII, Paper XIII., Woolwich 1869, S. 154-159, hier S. 157. Übersetzung mit DeepL, überarbeitet von M. Kellermann: „Die Preußen scheinen Bäume und Reisig auf den Gletschern ihrer Festungen zu pflanzen; der Plan hat zwei große Empfehlungen. Erstens, wenn ein Ort auf eine Belagerung vorbereitet wird, sind Holz und Reisig dringend erforderlich; und zweitens, wenn ein Ort belagert wird, hindern Wurzeln auf den Glacis die Belagerer daran, ihre Säfte so schnell wie möglich zu drücken, wie sie es sonst tun würden.“
(3) Stadtarchiv Koblenz, Coblenzer Zeitung Nr. 189, Morgen-Ausgabe, 26.04.1895