Fundstück der Woche 09/2017

Die preußischen Schanzarbeiten auf dem Petersberg, Teil II, 1792

Das Fundstück der Woche 09/2017 beschäftigt sich mit der Kritik Christian von Massenbachs (1758-1827) an den in Teil I beschriebenen preußischen Schanzarbeiten in Lützel-Koblenz. Massenbach war im Sommer 1792 zusammen mit dem Koalitionsheer über Koblenz nach Frankreich gezogen und hatte dessen bittere Niederlage miterlebt. In seinem Bericht des Feldzugs beschreibt er, ähnlich wie Professor Minola, die Anlagen auf dem Petersberg und hält sich dabei auch nicht mit Kritik zurück. Massenbach sollte später noch eine unrühmliche Rolle in der für Preußen verlorenen Schlacht von Jena spielen.

Christian von Massenbach äußert sowohl persönliche Gedanken zu den Schanzarbeiten als auch kritische Betrachtungen der taktischen Überlegungen zur Verteidigung des linken Moselufers. Die größte Schwachstelle stellte für ihn die Verteidigung der Kehle der Befestigungen auf dem Petersberg dar, zu der lediglich Infanterie- und Kavallerieeinheiten sowie die Kanonen der Festung Ehrenbreitstein vorgesehen waren.

„Vier Infanterie-Bataillons, 1 Kompagnie Jäger im Dorfe Neuendorff, und 7 Eskadrons Husaren, welche letztere bey den Sandgruben an der Andernacherstraße, bis auf den Augenblick wo der feindliche linke Flügel vorrücken würde, postirt [sic!] werden sollten, waren nebst einer schweren sechspfünder Batterie, den Bataillonstücken [Stück = Kanone, Anm. d. Verf.], und einigen Stücken von Ehrenbreitstein, zur Vertheidigung dieser Position bestimmt.“

Massenbach war der Meinung, dass der Angreifer nicht frontal gegen den Petersberg vorgegangen wäre, sondern zunächst die Jäger und die Kavallerie bei der Straße nach Schloss Schönbornslust angegriffen und sich danach von rückwärts gegen die Anlagen auf dem Petersberg gewandt und diesen binnen kürzester Zeit eingenommen hätte.

„Es ist wohl sonnenklar, daß der Feind, ehe er auf die Andernacherschanze einen Angriff unternommen, vorher bemüht gewesen seyn würde, unsere Fußjäger aus Wallersheim , und besonders aus Neuendorff zu vertreiben. Wäre dieß einmal bewerkstelliget gewesen, und dazu gehörte eben keine große Kunst, so würden die 7 Eskadrons Husaren, in den Sandgruben an der Andernacherstraße postirt [sic!], ebenfalls nicht mehr lange da ausgehalten haben; und der Feind, der seinen linken Flügel an den Rhein angelehnt gehabt und die Bohrschüsse vom Ehrenbreitstein eben nicht sehr geachtet haben würde, hätte nunmehr die Andernacherschanze und die Flesche, und den ganzen Mariahülfsberg im Rücken genommen. Und dieses Gefecht würde nicht zwey Stunden gedauert haben.“

Möglich war dieses Vorgehen, da die Verteidiger ihren Schwerpunkt auf den Petersberg zur Abwehr eines feindlichen Frontalangriffs gelegt hatten.

„Von vorne sollte der Feind kommen, und da hatte man ihm eine große Menge Werke mit aus- und eingehenden Winkeln entgegen gesetzt. – Gegen den Angriff im Rücken – da sollte eine Jägerkompagnie, und der mächtige Ehrenbreitstein schützen.“

Um dem Dilemma einer Attacke im Rücken zu entgehen, plädierte Massenbach für eine Vorverlegung der weit in Richtung der Mosel zurück gezogenen Neuendorffer Schanze, so dass diese die Andernacher Schanze noch zusätzlich hätte decken können. Außerdem schlug er eine Verlängerung der rechten Face dieser Schanze sowie die Anlage weiterer Schanzen vor.

„Wir sind der ohnmaßgeblichen Meinung: daß man die rechte Seite der Andernacherschanze hätte verlängern, und die Neuendorfferschanze hätte weiter vorlegen müssen, um der Andernacherschanze mehr Seitenvertheidigung zu verschaffen. Auch hätte man zwischen der Neuendorfferschanze und dem Rhein noch eine oder zwey Schanzen anlegen müssen, um den rechten Flügel auf eine recht solide Art an den Rhein anzulegen. – Die in Neuendorff liegende Jägerkompagnie mußte bey Zeiten aus diesem Dorfe herausgezogen, und in die am Rhein liegende Schanze postirt [sic!] werden. Das Dorf Neuendorff aber mußte man, so bald sich der Feind darin festsetzen wollte, in Brand stecken.“

Kritik übt Massenbach auch an der taktischen Einstellung der Preußen, die nach dem Fall der Andernacherschanze einen sofortigen Rückzug der eigenen Truppen über den Rhein vorgesehen hatten. Hierfür zeigte von Massenbach wenig Verständnis, da die verbleibenden, noch nicht eroberten Werke eine weitere Verteidigung durchaus ermöglicht hätten.

„Wenn auch die Andernacherschanze und die Flesche erobert wären, so würden die Thurmschanze, die Hauptschanze und die Neuendorfferschanze, eine zweyte haltbare Stellung darbieten, um den Rückzug über die Moselbrücke durchs tête-de-pont [Brückenkopf, Anm. d. Verf.] oder auf Schiffen nach dem Ehrenbreitsteiner Thal hin, zu protegiren.“

Letztlich hielt Massenbach diesen taktischen Ansatz der Preußen, die Schanzen bei einem französischen Angriff in kürzester Zeit aufzugeben und die Truppen über den Rhein zurück zuziehen, für falsch. Da der Rückzug von vorneherein vorgesehen war, hätte man seiner Ansicht nach auf der linken Moselseite nicht diesen immensen Aufwand betreiben müssen.

„Wenn nun dieser Rückzug bey so bewandten Umständen nothwendig ist, zu welchem Zwecke ist denn die Hauptschanze angelegt? überhaupt, zu welchem Zwecke ist auf diesem Mariahülfberge so viel geschanzt worden? Es ist doch gar zu traurig, wenn an Verschanzungen mehrere Monate gearbeitet wird, und wenn man sie dann kaum so viele Minuten vertheidigen kann, als Monate daran gearbeitet worden.“

Wie sich wenige Jahre später zeigte, sollte Massenbach mit seinen Einschätzungen Recht behalten.

Matthias Kellermann

Literatur

Massenbach, Christian von: Ausführliche Beschreibung des Kriegsschauplatzes zwischen dem Rhein, der Nahe und Mosel, nebst Betrachtungen über einige der merkwürdigsten Begebenheiten, welche sich auf diesem Kriegsschauplatze in den Jahren 1793 und 1794 ereignet haben. 1. Band, 2. Stück, Berlin 1799.