Fundstück der Woche 32/2020

Die alte Festung Koblenz…“, 21. Juli 1932

…ihr Schicksal einst und morgen“ lautet der Titel unseres Fundstückes der Woche 32/2020. Der Autor Albert Gastmann beschreibt in einer vierteiligen Serie in der Koblenzer Volkszeitung eine Rundreise zu den ehemaligen militärischen Liegenschaften der Festung Koblenz und Ehrenbreitstein. Diese Beiträge sind insofern für die Forschung interessant, als sie aufzeigen, wie es mit den militärischen Liegenschaften und den darauf vorhandenen Bauwerken nach Abzug der Besatzung weiterging. Denn wie die Festungswerke mussten auch diese samt und sonders entmilitarisiert, d.h. einer zivilen Nutzung zugeführt oder zerstört werden. Im vierten und letzten Teil der Serie wendet sich der Autor der Feste Kaiser Franz in Lützel zu.

Sein Weg führt Gastmann von dem Bekleidungsamt auf der ehemaligen Moselflesche hinüber zur Feste Kaiser Franz. Diese sollte, so berichtet er, in naher Zukunft zusammen mit der Bubenheimer Flesche, der Metternicher und Rübenacher Schanze und dem ehemaligen Festungsglacis in den Besitz der Stadt Koblenz übergehen (tatsächlich sollte dies noch bis zum 1. Januar 1934 dauern). Auf die Planungen der Stadt für das Gelände der Feste Kaiser Franz geht er zwar nicht ein, der Leser erfährt aber etwas über die Munitionsanstalt im Werkhof.

Die ehem. Munitionsanstalt, ein beliebter, nachts unheimlicher Ausflugsort für Garnisonwachen, ist größtenteils verschwunden. Einige stehengebliebene Baracken haben als Notwohnungen Verwendung gefunden. Die früheren Dienstwohngebäude sind an Privatfamilien vermietet.

Der Autor legt im Anschluss einen Zwischenstopp in der benachbarten ehemaligen Feldartillerie-Kaserne ein, die 1930 vom evangelischen Verein Herberge zur Heimat erworben worden war. Als erste Maßnahme nach dem Ankauf war im Stabsgebäude „zunächst ein vorbildliches Heim für die ‚Brüder von der Landstraße‘ geschaffen worden. Die neue Anlage – vom Anmeldeschalter bis zum elektrischen Kochkessel – ist sehenswert. Weiterhin plant der Verein bezw. die evangel. Gemeinde Koblenz, hier oben die Schaffung von preiswerten Kleinwohnungen und die Einrichtung von Jugend- und Altersheimen und dergleichen.“

Abb. 1: Kaserne des 2. rheinischen Feldartillerie-Regiments I/23 auf Feste Franz in Coblenz-Lützel, 1915

Nach einem kurzen Schlenker über das vormalige Artillerie-Depot am Fuße des Petersbergs, auch Wagenhausgelände genannt, (ab 1969 Standortverwaltung der Bundeswehr), gelangt Gastmann schließlich zur ehemaligen Train-Kaserne in der Andernacher Straße.(1) Diese war von 1922 bis 1929 mit französischen Besatzungstruppen belegt. Der zu dieser Zeit gebräuchliche französische Name der Kaserne, Quartier Marceau, leitete sich von der auf der anderen Seite der Bahngleise stehenden Grabpyramide des Generals François Séverin Desgraviers-Marceau (1769-1796) ab, der ursprünglich auf dem Petersberg begraben war.

Abb. 2: Quartier Marceau, ehemalige Trainkaserne, 1925

Welche Einheiten in der Kaserne untergebracht waren, ist noch nicht hinreichend erforscht. Der ebenfalls gebräuchliche Name „Artilleriekaserne“ leitet sich möglicherweise vom 39. französischen Artillerie-Regiment (39e R.A.D. = 39e régiment d‘artillerie) ab, dessen 7. Batterie an dem Standort untergebracht war. Dies lässt vermuten, dass das Regiment auf die zwei Lützeler Kasernen aufgeteilt worden war (siehe auch hier). Die letzten 350 Mann der Einheit verließen Koblenz am 7. November 1929.(2)

Abb. 3: Soldaten des 39. RAD bei den Feierlichkeiten zum französischen Nationalfeiertag, 14. Juli 1929

Das Train-Depot im hinteren Bereich der Anlage wurde, wie schon zur Zeit der amerikanischen Besatzung, zur Unterbringung des – jetzt französischen – Fuhrparks genutzt. Die Einfahrt befand sich auf dem heutigen Parkplatz der Fa. Stabilus, ganz in der Nähe des Kreisels Wallersheimer Weg/Herberichstraße.

Abb. 4: Fuhrpark der Armée Francaise du Rhin (A.F.R.) in der Train-Kaserne, nach 1922

Nach der Freigabe der Kaserne im November 1929 musste die Anlage ebenfalls entmilitarisiert werden. Das ehemalige Traindepotgelände wurde daher 1930 an die Deutsche Bau- und Grundstücks A.G. aus Berlin verkauft, während das Reich das Offizierskasino zum Wohngebäude umbauen lassen wollte. „Das Wohngebäude der Trainkaserne, wie auch das Stabshaus sind seit langem an Privatfamilien vermietet. Die Mannschaftsgebäude, das Stabshaus und das Wirtschaftsgebäude wird vielleicht die Stadt Koblenz übernehmen. […] In dem großen Doppelreithaus hat sich ein Sportverein ein schönes Turnerheim geschaffen, sodaß dieses Gebäude voraussichtlich erhalten bleiben wird. Das mittlere größere Stallgebäude mit kleinem Reithaus wird abgebrochen werden. Die übrigen Anlagen werden durch Entfernung der besonderen inneren Einrichtungen ihres militärischen Charakters entkleidet und wirtschaftlicher Verwendung zugeführt werden.“(3)

Abb. 5: Unteroffizier-Familienhaus an der Andernacher Straße, 1923

Nach der am 7. März 1936 vom Reich durchgeführten militärischen Besetzung des Rheinlands, einem eindeutigen Bruch der Bestimmungen des Versailler Vertrags, übernahm die Wehrmacht zum 1. August 1936 die Train-Kaserne und nutzte diese in der Folge wieder als Militärstandort.

Anmerkungen

(1) Gastmann, Albert: Die alte Festung Koblenz. Ihr Schicksal einst und Morgen (Schluß), in: StAK, Koblenzer Volkszeitung Nr. 166, 21.07.1932 (künftig: StAK, KVZ, 21.07.1932).
(2) Vgl. Schreiben des Präsidenten der Reichsvermögensverwaltung für die besetzten rheinischen Gebiete Nr. Pr. 2.162/3317 vom 07.11.1929, in: StAK Best. 623 Nr. 5182, S. 206f., hier S. 206.
(3) StAK, KVZ, 21.07.1932.

Abbildungen

Abb. 1: Sammlung M. Kellermann, Ansichtskarte, Quelle unbekannt, um 1915
Abb. 2: Sammlung M. Kellermann, Ansichtskarte, unbekannter Fotograf, 1925.
Abb. 3: Sammlung M. Kellermann, Ansichtskarte, unbekannter Fotograf, 1929.
Abb. 4: Sammlung M. Kellermann, Ansichtskarte, unbekannter Fotograf, nach 1922.
Abb. 5: Sammlung M. Kellermann, Fotografie von Lindstedt & Zimmermann, Koblenz, 1923 (gemeinfrei).

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