„Ehrenbreitsteinartig“, Paris, 20. April 1871
Das Fundstück der Woche 41/2022 ist eine kurze Passage aus dem Buch Kriegsgefangen. Erlebtes 1870. Briefe 1870/71, erstmals erschienen 1871. Theodor Fontane berichtet darin über seine Erlebnisse und Eindrücke während seines Aufenthalts und seiner Kriegsgefangenschaft in Frankreich zur Zeit des Deutsch-Französischen Krieges. Zur Überraschung des Lesers und Autors dieser Zeilen findet sich dort im Einführungstext eine „hübsche“ Wortkreation Fontanes.
Am 20. April 1871 standen Theodor Fontane und andere „Zuschauer, an der Mühle von Sannois“ in Saint Denis, nördlich von Paris. Von hier aus blickte er auf die Stadt, in der zu dieser Zeit die Kommune herrschte. Fontane notierte:
„Hier saßen wir, fast am Rande des Vorsprungs, blickten nieder in die Arena und sahen, wie die Versailler und die Föderalen, wie die dreifarbige und die rote Republik miteinander rangen. […] Zu unseren Füßen, eine Halbinsel bildend, zog die Seine eine mächtige Schleife, an deren Ufern, nach außen und innen zu, Argenteuil und Gennevilliers, Colombes und Asnières im funkelnden Sonnenlichte lagen. Lachendstes, friedlichstes Bild!
Aber in diesem Augenblick blitzte es unten von Bajonetten; in langer Kolonne debouchierten Versailler Bataillone, passierten die Brücke und schwenkten links, um die bei Asnières verschanzten Roten in Flanke und Rücken zu fassen. Zugleich hüllte sich der ehrenbreitsteinartig daliegende Mont Valérien in weiße Rauchwolken, und in der nächsten Sekunde rollte ein dumpfer Donner erts über die Landschaft und dann langsam über das Häusermeer von Paris hin.„(1)
Fontane war nicht der einzige, der in diesem Krieg einen Vergleich mit der Festung Koblenz und Ehrenbreitstein anstellte. Ein zeitgenössischer Berichterstatter, der über die Belagerung der Festung Belfort berichtete, verglich im Februar 1871 die Lage der Feste Kaiser Franz mit dem Schloss der Befestigungsanlagen der französischen Stadt.
„Das Hauptangriffsobjekt würde immer das Schloß sein, welches der Schlüssel zur Festung ist und dessen Einrichtung und Lage zur Stadt an die Veste Franz in Koblenz einigermaßen erinnert. Gleich diesem ist die der Stadt zugekehrte Kehle auf hohem Felsen aufgesetzt, die Stadt um etwa 80 Fuß überhöhend […].“(2)
Matthias Kellermann
Anmerkungen
(1) Fontane, Theodor: Kriegsgefangen. Erlebtes 1870. Briefe 1870/71, Berlin 1984 (Wanderungen durch Frankreich Band 1), S. 27. Die Herausstellung des Wortes „ehrenbreitsteinartig“ wurde vom Verfasser dieses Beitrags vorgenommen, sie dient lediglich der Hervorhebung, um das Wort im Fließtext besser identifizieren zu können.
(2) National-Zeitung (Morgen-Ausgabe) Nr. 68, 09.02.1871, S. 3.
Abbildungen
Abb. 1: Sammlung M. Kellermann, Foto Johann Heinrich Schönscheidt (1835-1903), undatiert (ca. 1866-1903)
Abb. 2: Foto Patrice vogt, CC BY-SA 4.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons, unveränderte Reproduktion