Fundstück der Woche 43/2017

Auflager im Kehlturm, 2010

Die Fundstücke der Woche 43/2017 sind die Auflager der ursprünglichen Holzdecken im Kehlturm der Feste Kaiser Franz. Die bearbeiteten Steine stammen aus anderen (Abbruch-)Gebäuden, sie wurden in der Feste als günstiges Baumaterial wiederverwendet. Diese Steine nennt man daher auch Spolien.

Spolien können symbolischen Charakter haben und ganz bewusst verbaut werden. Ein Beispiel hierfür sind z. B. die römischen Säulen in der Pfalzkapelle Karls des Großen in Aachen, die er eigens aus Ravenna importieren ließ. Die Verwendung der antiken Säulen sollte unterstreichen, dass Karl sich in der Tradition der römischen Kaiser sah und so sein eigenes Kaisertum legitimieren. Im Fall der Feste Kaiser Franz handelt es sich allerdings „nur“ um günstiges Baumaterial ohne eine verborgene Symbolik, das sich heute an ganz unterschiedlichen Stellen in den verbliebenen Gebäude- und Mauerteilen des Festungswerks wiederfindet.

Die Auflager für die ursprünglichen Holzdecken im Untergeschoss des Kehlturms stammen Udo Liessem zufolge aus dem in der französischen Zeit säkularisierten Kloster Heisterbach bei Königswinter, das 1809 zum Abbruch verkauft worden war.(1) Dieser Einschätzung widerspricht Klaus T. Weber dahingehend, dass die Steine aufgrund ihrer gotischen Erscheinung keineswegs aus Heisterbach kommen können.(2)

Abb. 1: Spolien im Untergeschoss des Kehlturms, 2010
Abb. 2: Ungewöhnlicher Blick aus dem Untergeschoss des Kehlturms, 2010

Weitere Spolien finden sich an der Poterne bzw. am Werkeingang der Feste Franz. Sowohl die Einfassungen der Balkenschächte an der Auffahrt als auch eine Treppenstufe am Wachtlokal an der Kommunikation weisen eingemeisselte Schriftzüge auf. Dabei könnte es sich z. B. um Fragmente alter Grabsteine aus Basalt handeln.

Abb. 3: Spolie in der Poterne, Fenster am hinteren Ausgang, 2010
Abb. 4: Spolie am Wachtlokal am Werkeingang, 2017

Weitere Spolien finden sich z. B. in der Poterne an den Fenstereinfassungen am hinteren Ausgang. Über die Herkunft der verbauten Gebäudeteile und Fragmente lässt sich leider heute mangels Unterlagen keine Aussage mehr treffen.

Matthias Kellermann

Anmerkungen

(1) Vgl. Neumann, Hartwig und Udo Liessem: Die Klassizistische Großfestung Koblenz. Eine Festung im Wandel der Zeit: preußische Bastion, Spionageobjekt, Kulturdenkmal. Mit dem vollständigen Reprint der deutschen Ausgabe des „Spionagewerks“ von J. H. Humfrey: „Versuch eines neu angenommenen Fortifikations-Systems zur Vertheidigung der Rhein-Grenze“, Nürnberg 1842, Koblenz 1989 (Reihe Architectura militaris, Bd. 2), S. 68.
(2) Vgl. Weber, Klaus T.: Die preußischen Festungsanlagen von Koblenz (1815-1834), Weimar 2003 (Diss. Reihe: Kunst- und Kulturwissenschaftliche Forschungen Band 1), S. 146.

Abbildungen

Abb. 1-2: Foto M. Kellermann, 2010
Abb. 3: Foto M. Kellermann, 2010
Abb. 4: Foto M. Kellermann, 2017