Kriegsbäckerei

Bei der Bereitstellung des wichtigen Grundnahrungsmittels Brot setzte die preußische Militärverwaltung in Koblenz hauptsächlich auf Selbstversorgung. 1821 ging daher zunächst die im Festungsbauhof am Klemensplatz (heute Reichenspergerplatz) untergebrachte Garnisonsbäckerei in Betrieb. Die hier bereits aus der französischen Zeit vorhandenen Backöfen waren jedoch nicht optimal und binnen kürzester Zeit auch renovierungsbedürftig. So wurde 1824 Leutnant August Wilhelm Beise beauftragt, diese beiden Öfen instandzusetzen. Da der Zustand des häufiger frequentierten Backofens eine Renovierung nicht mehr zuließ, konstruierte Beise auf dessen Fundamenten einen neuen verbesserten Ofen.

Für den Kriegsfall sollten in den folgenden Jahren weitere Bäckereien in den Festungsteilen entstehen, sodass im Falle einer Armierung mit signifikanter Erhöhung der Garnison ausreichende Kapazitäten zum Brotbacken zur Verfügung standen. Wichtigstes Merkmal dieser sogenannten Kriegsbäckereien war ihre bombensichere Unterbringung. Zur Ausführung kamen Kriegsbäckereien in der Rheinanschlusskaserne, in Fort Konstantin und in der Feste Kaiser Franz, eine weitere auf Oberehrenbreitstein kam vermutlich über das Planungsstadium nicht hinaus.

Kasemattenkorps der Rheinanschlusskaserne
Vermuteter Standort zweier Backöfen
Ansichtskarte, gelaufen 1904

Nachdem der neue Backofen sich bewährt hatte, erhielt Beise 1827 auch den Auftrag für die Konstruktion einer weiteren Anlage in der soeben fertig gestellten Rheinanschlusskaserne. Dieser Prototyp eines gänzlich neuen Ofens, der nach Fertigstellung ausgiebig getestet und für gut befunden wurde, sollte als Vorbild für drei weitere Backöfen dienen, von denen einer 1828 im Untergeschoss des Kehlturms der Feste Kaiser Franz zur Ausführung kam. Er ist heute der einzige noch erhaltene Festungsbackofen der gesamten Festung Koblenz und Ehrenbreitstein (in der Kriegsbäckerei in Fort Konstantin sind heute nur noch die Fundamente zweier Öfen erhalten, da beide 1922 im Zuge der Entfestigung zerstört wurden).

Backofen im Untergeschoss des Kehlturms
Foto: R. Arenz 2016

Sämtliche Militärbacköfen in Koblenz waren für die Feuerung mit Holz angelegt (Steinkohlen waren zwar damals schon in Gebrauch, kamen in Koblenz aber wahrscheinlich nicht zum Einsatz), wobei die Brennkammer gleichzeitig auch als Backkammer diente. Verfeuert wurde Buchen- und Eichenholz, aber auch Weichholz (z.B. Birke, Nadelholz) und Reisig. Vor dem ersten Backen wurde der Ofen mehrere Stunden aufgeheizt. Die bei der Verbrennung des Holzes entstehenden Kohlen wurden herausgezogen, dann zum Auskühlen in die kleine Kammer unter dem Backofen befördert und später verkauft. Vor dem Backen wurde die Herdsohle mit einem nassen Lappen ausgewischt.

Vermuteter Aufbau des Backofens, aus:
Ernst Dziobek, Taschenbuch für den
preussischen Ingenieur, Koblenz 1844

Der 4,5 m tiefe und 3,9 m breite Herd ist mit Platten aus Beller Tuffstein konstruiert, der sich bei den 1827 durchgeführten Versuchen als vorteilhaft herausgestellt hatte. Die Herdsohle steigt von der Öffnung in der Front, dem sogenannten Mundloch, bis zur Rückseite ca. 6° Grad an, was den Luftzug im Ofen fördert.

Backkammer des Backofens. Gewölbe und Herdsohle sind aus Tuffstein.
Foto: R. Arenz 2016

Die durch das Mundloch einströmende Luft wird durch sechs Züge abgeleitet und über den Herd zurück in den Rauchfang befördert, wo sie dann durch den Kamin abzieht. Um den Luftzug nochmals zu erhöhen, konnte der Rauchfang ebenfalls geschlossen werden. Mit dieser Konstruktion erreichte August Wilhelm Beise, dass der Herd überall gleichmäßig heiß wurde und das Brot gleichmäßig ausbackte und nicht etwa schon verkohlt, während es auf der anderen Seite noch nicht fertig war.

Rauchfang des Backofens.
In der Mitte die Öffnung des Kamins,
rechts und links die sechs Rauchzüge.
Foto: R. Arenz 2008

Das Mundloch ist über einen seitlich auf drei Rollen laufenden Metallschieber verschließbar. Dieser Schieber besteht aus zwei parallelen Metallplatten, die einen Hohlraum einschlossen; zur besseren Isolierung wurde dieser Zwischenraum mit Asche gefüllt. Die sechs Rauchzüge waren ebenfalls über Schieber verschließbar, wovon heute noch fünf komplette Gestänge vorhanden sind. Da alle Schieber aus Metall bestehen, sind diese aufgrund der jahrzehntelangen hohen Belastung durch Feuchtigkeit im Kehlturm heute stark verrostet.

Mundloch des Backofens mit Metallschieber
Foto: R. Arenz 2008

Der Raum vor dem Backofen diente vermutlich als Backstube, in der der Brotteig zubereitet wurde. Nach dem Gehen des Sauerteigs wurden die Portionen (ca. 250 Stück) abgeteilt und in den aufgeheizten Ofen „eingeschossen“, wofür der „Schießer“ eine Viertelstunde benötigte. Die Backzeit betrug etwa zwei Stunden. Während dieser Zeit konnte über das sogenannte Lichtloch, eine kleine Öffnung rechts vom Mundloch, der Backfortschritt kontrolliert werden. Nach Ablauf der Backzeit zog der „Schießer“ die fertigen Brote innerhalb einer weiteren Viertelstunde aus dem Backofen, um sie für die nächsten 24 Stunden in der Brotkammer zu lagern. Der Backofen wurde gegebenenfalls nochmal nachgeheizt, um anschliessend eine weitere Ladung Brote zu backen. Auf diesem Weg konnten ca. 1 000 Brote am Tag gebacken werden, im Kriegsfall sogar bis zu 1 500 Brote.

Backstube mit Backofen. Links im Bild hinter
dem Kamin die vermutete Stelle des Kessels.
Foto: R. Arenz 2016

Die Backstube war der einzige Raum im Untergeschoss des Kehlturms, der ein Fenster besaß. Unterhalb des Fensters ist eine Öffnung in der Wand, die eine direkte Verbindung nach außen in den Graben hatte, vermutlich diente sie der Entsorgung kleinerer Abfälle. Der Boden in der Backstube war nicht, wie eigentlich üblich, mit einem Holzboden ausgelegt, sondern mit Buntsandsteinplatten. Damit wurde zum einen vermieden, dass das Holz wegen der hohen Feuchtigkeitsbelastung (Wasserdampf) zu faulen begann, zum anderen hätte bei einem Holzboden die Gefahr eines Brandes bestanden. Der Kessel für das Backwasser befand sich vermutlich links in der Ecke neben dem Backofen.

Speisreste des Originalfußbodens.
Foto: M. Kellermann 2014

Neben Backofen und Backstube wurden noch weitere Räume im Untergeschoss für die Kriegsbäckerei genutzt. Unmittelbar an die Backstube anschließend befand sich die Mehlkammer und einen Raum weiter ein Brunnen für die Wasserversorgung. Kohlen und Holz wurden in den Räumen rechts vom Backofen gelagert. Die gesamte rechte Seite des Kehlturmuntergeschosses diente als Brotkammer.

Holzkammer der Kriegsbäckerei.
Der Raum diente der CarMen als Holzlager.
Foto: R. Arenz 2008

Da die Backstube im Untergeschoss recht klein ist, wurde möglicherweise auch die Küche im ersten Stock mitgenutzt. Über eine damals schon vorhandene kleine Treppenanlage gelangte man auf kurzem Weg von einem Geschoss zum nächsten. Unterhalb der Küche befindet sich der Backofen, der von oben über zwei Revisionsöffnungen erreicht werden konnte. Diese dienten zum einen dazu, kleinere und größere Reparaturen vornehmen zu können, zum anderen möglicherweise auch zum Ableiten der Resthitze. Diese wurde dann in der Küche dazu genutzt, den Sauerteig nach der Zubereitung gehen zu lassen, sodass der Platz in der eigentlichen Backstube für andere Arbeiten zur Verfügung stand.

Küche im ersten OG des Turms
Foto: R. Arenz 2012

Einen besonderen Kniff haben sich die Konstrukteure des Ofens für den Kamin einfallen lassen. Da sich der Rauchfang des Backofens genau im früheren Durchgang zwischen zwei Kasematten befindet, konnte der Kamin an dieser Stelle nicht gerade nach oben geführt werden, ohne den darüberliegenden Durchgang im ersten Stockwerk zu blockieren. Daher verläuft der Kamin des Ofens nicht gerade nach oben, sondern schräg über die Brennkammer zurück in eine Ecke der Küche, um von dort nach oben weiter zu laufen. Damit sind auch die enormen Kohlenstaubreste erklärt, die sich in dieser Ecke nach der Öffnung der Bodenabdeckung fanden.

Revisionsöffnung im Boden der Küche.
Rechts neben der Leiter der Kamin.
Foto: R. Arenz 2010