Das Reservistenbild des Kanoniers Reuter, Fußartillerieregiment Nr. 8, 1888
Das Fundstück der Woche ist ein Reservistenbild aus dem Jahr 1888. Die Datierung ist insofern möglich, weil das Bild je ein Portrait der drei Deutschen Kaiser Wilhelm I., Friedrich III. und Wilhelm II. in dem oberen Fries zeigt. Entsprechend muss es aus dem „Dreikaiserjahr“ stammen, dem Jahr 1888.

Bei der „alten Armee“ ließen sich die entlassenen Soldaten oft solche Erinnerungsstücke anfertigen. Es gab neben solchen Bildern auch Krüge, Pfeifen und weitere Souvenirs.

Diese Andenken waren Massenfabrikate, denen lediglich der Name des Reservisten, eventuell sogar die Namen seiner Kameraden der ganzen Kompanie hinzugefügt wurden. Im Falle unseres Reservistenbildes wurde nicht nur der Name des Kanoniers Reuter unter der Abbildung hinzugefügt, sein Foto wurde außerdem dreimal in dem Bild eingearbeitet.

Reservist war, wer seinen Dienst von zwei Jahren (drei für die Kavallerie sowie die reitende Feldartillerie) absolviert hatte, wobei es bei Freiwilligen weitere Ausnahmen gab, auf die wir hier nicht näher eingehen. Im alten Deutschen Kaiserreich herrschte Dienstpflicht. Mit 20 Jahren ging man zum Militär. Nach der Entlassung wurde der Soldat noch fünf Jahre (vier für die berittenen Truppen) Reservist und musste zwei Mal im Jahr am Manöver teilnehmen bzw. konnte dazu gerufen werden. Diese Manöver dauerten acht Wochen für die Reservisten. Dafür musste der entlassene Soldat sich beim Revierfeldwebel melden. Umzug und sogar Urlaub mussten vorher angemeldet werden, sodass die Armee immer wusste, wo der Mann sich befand. Es war natürlich Pflicht, seine Militärpapiere immer bei sich zu tragen.(1)
Nach insgesamt sieben Jahren wechselte man für fünf Jahre zur „Landwehr 1. Aufgebot“. Diese Männer mussten auch zu dem jährlichen Manöver, jedoch nur noch für die Dauer von 14 Tagen. Danach wechselte man zur „Landwehr 2. Aufgebot“, die keine Übung mehr machen sollte, bis das Alter von 39 Jahren erreicht war. Schließlich wechselte man bis zum 45. Lebensjahr zum Landsturm, der im Kriegsfall das Land nicht verlassen sollte.(2)

Unser Soldat verließ also das Fußartillerieregiment Nr. 8 im Jahr 1888 und wurde Reservist. Die Geschichte seines Regiments begann im Jahr 1813 mit einer Batterie, die einzige, die an den Befreiungskriegen gegen Napoleon teilnahm. Mit der Gründung einer zweiten Batterie im Jahr 1816 wurde die „1. Rheinische Artillerie-Brigade“ geschaffen.(3) Allerdings wurde diese bereits am 21. April 1816 in „8. Artillerie-Brigade (Rheinische)“ umbenannt. Das Regiment unseres Kanoniers wurde 1864 in „Rheinisches Festungsartillerie Regiment Nr. 8“ und 1872 in „Rheinisches Fußartillerieregiment Nr. 8“ umbenannt.
Als Fußartillerie(4) , früher Festungsartillerie genannt, sollten die Geschütze der Festungen dienen und im Kriegsfall, bei erfolgreichem Feldzug, nachrücken und die gegnerischen Festungen belagern, was deren Bombardierung einschließt. Das Regiment hatte sich 1864 an dem Krieg gegen Dänemark und an der Beschießung der Düppeler Schanze beteiligt, und im Krieg gegen Frankreich 1870/1871 an verschiedenen Belagerungen, u.a. von Verdun und Paris.
Schon 1820 kamen Teile des Regiments nach Koblenz.(5) Von 1828 an blieben mehrere Batterien bis 1877 in Koblenz und Ehrenbreitstein stationiert. Die letzten Teile des Regiments verließen allerdings Koblenz erst 1887.(6) Dies bedeutet, dass in der Hauptnutzungszeit der Feste Kaiser Franz diese Fußsoldaten für die Bewaffnung der Festung zuständig waren. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871 wechselte jedoch die geostrategische Lage mit der Annexion von Elsass und Lothringen. Metz wurde zur Festung von Rang 1, Koblenz nur noch Festung von Rang 2. So wechselte die 5. Kompanie 1877 nach Metz.

1888 war daher das Fußartillerieregiment Nr. 8 überwiegend in Metz stationiert, unter anderem die 5. Batterie. So können wir mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass der Kanonier Reuter sich diese Erinnerung aus seiner Dienstzeit aus Metz mitgebracht hat.
Jean-Noël Charon, Koblenz, den 15. Mai 2025
Anmerkungen
(1) Vgl. Richard Schröder: „Dienstunterricht des Infanteristen“, Verlagsbuchhandlung für Militär- und Kriegswissenschaft, Berlin 1907, S. 14, sowie „Nach der Dienstzeit“, Friedr. Carl Dietze, Leipzig, ohne Datum, S. 16 ff.
(2) Vgl. ebd.
(3) Vgl. Thomas Tippach in „Geschichte der Stadt Koblenz“, Konrad Theiss Verlag GmbH & Co., Stuttgart 1993, S. 344.
(4) Siehe auch Fundstück der Woche 14/2021.
(5) Vgl. Dr. Hans Bellinghausen: „2000 Jahre Koblenz“, Harald Boldt Verlag, Boppard 1971, S. 297.
(6) Vgl. Tippach, S. 344.
Abbildungen
Abb. 1: Reservistenbild des Kanoniers Reuter, Fußartillerieregiment Nr. 8, 1888. Privatsammlung Jan Reuter (†), Foto Jean-Noël Charon
Abb. 2: Reservistenpfeife, Foto Gerhard Bronisch, gemeinfrei, via Wikimedia Commons.
Abb. 3: wie Abb. 1, Ausschnitt
Abb. 4: Große Manöver in Koblenz 1910. Ansichtskarte, Privatsammlung Jean-Noël Charon
Abb. 5: Fußartillerieregiment Nr. 8 in Metz. Ansichtskarte, Privatsammlung Jean-Noël Charon